Einordnung des Begriffs “Außerschulisches Lernen”
Folgt man Pospiech [SauerbornBrühne:2014] (Pospiech u. a. 2020, 222f.), so ist der Begriff des außerschulischen Lernens, also die Nutzung von Lerngelegenheiten außerhalb der Schule, tief in der pädagogischen Tradition verankert und reicht bis in die Aufklärung und Reformpädagogik zurück. Diese Praxis hat sich im Laufe der Zeit mit unterschiedlichen Begründungen weiterentwickelt (Thomas 2009, 283–87), aber das Konzept als solches ist bis heute aktuell geblieben und gewinnt wieder an Interesse (Karpa und Lübbecke 2015, 1f.). Der Begriff “außerschulischer Lernort” wird dabei breit und teilweise unscharf verwendet, was zu definitorischen Schwierigkeiten führt (Erhorn und Schwier 2016, 7; Sauerborn und Brühne 2014, 11) und synonyme Bezeichnungen wie “Außenlernort” (Kestler 2015, 188) oder “Lernen außerhalb des Klassenzimmers” (Burk und Claussen 1980, 5) umfasst. Unter außerschulischen Lernorten werden Orte außerhalb des Schulgeländes verstanden, die Potenzial für schulisch geplantes Lernen bieten (Karpa und Lübbecke 2015, 7f.), wobei dieses Potenzial von verschiedenen Faktoren wie schulpolitischen Rahmenbedingungen, am Lernort verfügbaren Inhalten, didaktischen Überlegungen und individuellen Faktoren abhängt.
Diese Orte können sowohl über ein spezifisches Bildungsangebot verfügen (etwa Museen etc.) oder auch ohne ein solches für Lernzwecke genutzt werden, wobei das Hauptziel darin besteht, den Schülerinnen und Schülern Erfahrungen zu ermöglichen, die im Klassenzimmer nicht möglich sind (Thomas 2009, 284).
Außerschulisches Lernen findet folglich nicht wegen des Ortes an sich statt, sondern wegen der gleichzeitig gegebenen schulischen Relevanz des Ortes (Pech 2008). Während so schulische Lernorte direkt in den Unterricht eingebunden sind, sind außerschulische Lernaktivitäten ohne direkten schulischen Bezug von der Definition außerschulischer Lernorte ausgeschlossen.
Als außerschulischer Lernort kann prinzipiell jeder Ort dienen, der ein nutzbares Lernpotenzial aufweist, sofern er in schulische Lernprozesse eingebunden ist (Keck 1993, 148).
Didaktische und Methodische Grundlagen
Die Einbeziehung außerschulischer Lernorte in den Unterricht bietet verschiedene Potenziale, ist aber auch mit Herausforderungen verbunden. Die wichtigsten Aspekte lassen sich in den folgenden Kategorien zusammenfassen:
Potenziale außerschulischer Lernorte
- Erweiterung des pädagogischen Angebots: Außerschulische Lernorte bieten Abwechslung und neue Lernwege, die die Motivation der Schülerinnen und Schüler steigern und die Lerneffektivität positiv beeinflussen können (Karpa und Lübbecke 2015).
- Lebenswelt- und Wissenschaftsbezug: Diese Lernorte ermöglichen eine Annäherung an die Lebenswelt der Lernenden und bieten gleichzeitig einen Zugang zu wissenschaftspropädeutischen Ansätzen (Pries und Wiesmüller 2011; Budde und Hummrich 2016).
- Primärerfahrungen und authentische Begegnungen: Direkte Interaktionen an außerschulischen Lernorten ermöglichen originale Begegnungen und fördern ein authentisches Erleben der Lerninhalte (Schockemöhle 2009; Sauerborn und Brühne 2010).
- Fächerübergreifendes Lernen: Außerschulische Lernorte erfordern häufig eine fächerübergreifende Herangehensweise, die die Inhalte in einen größeren Kontext stellt und damit für die Schülerinnen und Schüler relevanter macht (Sauerborn und Brühne 2014).
Herausforderungen außerschulischer Lernorte
- Erhöhter Planungsaufwand: Die Vorbereitung und Durchführung von Besuchen außerschulischer Lernorte erfordert einen deutlichen Mehraufwand für Lehrkräfte (Karpa und Lübbecke 2015).
- Kognitive Überforderung: Die Vielzahl neuer Eindrücke kann zu einer Überforderung führen, insbesondere wenn die Lernorte stark von der gewohnten Schulatmosphäre abweichen (Karpa und Merkel 2015).
- Didaktische Herausforderung: Die Integration der Lerninhalte in den regulären Schulunterricht und die Anpassung an curriculare Vorgaben stellen weitere Schwierigkeiten dar (Rhyn und Niederhauser 2004).
Die nachfolgende Abbildung zeigt die aus den theoretischen Überlegungen abgeleiteten Potenziale und Herausforderungen der Integration Außerschulischer Lernorte.
Empirische Befunde
Die positiven und negativen Einflussfaktoren auf das ausserschulische Lernen sind empirisch gut untersucht. Die sinnvolle Gestaltung außerschulischer Lernorte steht in direktem Zusammenhang mit dem Erfolg oder Misserfolg von Unterrichtseinheiten:
Positive Aspekte
Wesentliche Bedeutung kommt der Vor- und Nachbereitung der außerschulischen Lernveranstaltungen zu:
- Vorbereitung/Nachbereitung: Mehrere Studien betonen die Notwendigkeit einer gründlichen inhaltlichen und geographischen Vorbereitung und Nachbereitung um längerfristige Lerneffekte zu sichern und höhere Kompetenzniveaus zu erreichen (Delaney 1967; Orion 1994; Kubota und G. 1991; Anderson und B. 1997; Anderson u. a. 2000; Streller 2015; Wellington 1990; Rix 1999; Waltner 20 n. Chr.; Engeln 2004).
- Posive kurzfristige Effekte: Studien haben gezeigt, dass außerschulische Lernorte positive Effekte auf Werte, Einstellungen und fachliches Interesse der Schülerinnen und Schüler haben können, diese Effekte aber meist nur von kurzer Dauer sind, insbesondere dann falls keine Verfestigung und Ergebnissicherung betrieben wird (Itzek-Greulich 2014).
Negative Aspekte
- Hoher Aufwand und Kontrollprobleme: Niederhauser und (Rhyn und Niederhauser 2004) berichten, dass 57 Prozent der Lehrkräfte den hohen Aufwand und die schwer zu kontrollierenden Bedingungen als Herausforderung sehen.
- Kognitive Überforderung: (Falk und Dierking 2012) thematisieren die Gefahr der kognitiven Überforderung in unbekannten Lernumgebungen, die die Lernfähigkeit der Schüler beeinträchtigen kann.
Ambivalente Aspekte
- Die Kommunikation zwischen Experten und Laien an außerschulischen Lernorten bietet Chancen durch die Bereicherung des Lernsettings mit Fachwissen, birgt jedoch Herausforderungen durch mögliche Abstimmungsschwierigkeiten und Wissensasymmetrien, die die Interaktion komplizieren können.
- Experten müssen ihr Wissen zielgruppengerecht vermitteln, was variabel gelingt und oft als Machtasymmetrie wahrgenommen wird, wodurch Laien zögern, Fragen zu stellen (Bromme 2004).
Fasst man die Untersuchungen zusammen ergibt sich folgendens Bild:
Resumè
Die Studien verdeutlichen die Notwendigkeit, der theoretischen und praktischen Auseinandersetzung mit außerschulischen Lernorten in der Lehrerbildung einen höheren Stellenwert einzuräumen und die didaktischen Ansätze entsprechend anzupassen; dies gilt insbesondere für eine angemessene Vor- und Nachbereitung sowie den sensiblen Einsatz von Expert*innen, um die Potenziale dieser Lernorte voll ausschöpfen zu können.